Maschinenschamanismus: Hierarchie von Blick und Handlung in der robotischen Radiochirurgie

Kaum ein Alltagsbereich ist einem solch beständigen, rapiden Wandel unterworfen und in kaum einem Anwendungsfeld zeichnen sich so frühzeitig Fragen der Medialität und Bildlichkeit ab wie in der Medizin. Hier werden wissenschaftliche und zumeist technische Bilder en masse produziert, die Erkenntnisquelle und Entscheidungsgrundlage zugleich sind. In den Kliniken kommen heute nur wenige Behandlungen ohne eine wie auch immer geartete bildliche Konsultation aus, sei es aus dem Instrumentarium der Radiologie, mithilfe der Mikroskope der Pathologie oder der unzähligen grafischen Aufzeichnungen, die in fast jeder Fachdisziplin einen unverzichtbaren Beitrag zur Diagnostik leisten, wie beispielsweise dem Elektrokardiogramm (EKG) oder dem Elektroenzephalogramm (EEG).

Mal werden der Patientin wie bei diesen beiden Verfahren teils bis zu mehr als einhundert Elektroden aufgeklebt und Ströme gemessen, mal werden Röntgenröhren auf ihren Körper gerichtet oder sie nimmt in einer engen Röhre Platz. Häufig jedoch steht sie sich einem technologisch und administrativ durchgetakteten Ablauf gegenüber, der ihren Körper reglementiert, um ihn einer Experimentalanordnung zugänglich zu machen, die schließlich diagnostische Bilder produziert, welche sie selbst häufig nicht einmal einsehen, geschweige denn verstehen und interpretieren kann.

Bisweilen verlagert sich die Auf- und Abklärung mancher Erkrankungen überwiegend auf bildgebende, vorrangig radiologische Verfahren, und so treten bereits Fallkonstellationen auf, in denen ausschließlich solche Methoden genutzt werden. Ein solches Beispiel stellt die Diagnostik vieler Hirntumoren dar, welche aufgrund der schlechten Zugänglichkeit des Krankheitsherdes auf präoperative pathologische Erkenntnisse verzichten muss. Erst die in einer chirurgischen Operation gewonnenen Proben können feingeweblich untersucht werden, woraufhin ggf. eine Anpassung der Behandlungsstrategie erfolgt. Jedoch etablieren sich nach und nach nicht invasive Therapieverfahren der Strahlenmedizin, welche etwa im spezifischen Fall der robotischen Radiochirurgie des Vestibularisschwannoms (VS) eine pathologische Charakterisierung nicht nur einsparen, sondern gar nicht erst benötigen. Damit ergibt sich hier die mutmaßlich einzigartige Situation, dass die Behandlung eines Tumors vollständig bildgeführt erfolgt. In dieser Konstellation wird zunächst mithilfe bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT, Abb. 1) oder der Computertomographie (CT) die Diagnose des VS gestellt, ehe mit denselben Bildern die robotische Strahlentherapie geplant und im Anschluss durchgeführt wird, bis in der Nachsorge mit weiteren Vergleichsbildern der Erfolg oder Misserfolg der Behandlung festgestellt wird. Der Tumor wird weder mit den Augen einer Operateurin, die ihn entfernt, noch mit denen einer Pathologin, die ihn feingeweblich untersucht, gesehen. Er wird erreichbar, indem er unsichtbar wird.

Abb. 1: Ein Magnetresonanztomograf der Firma Siemens

Die bildgeführte Behandlung des Vestibularisschwannom

Im Folgenden soll das eingangs angeführte Beispiel des VS genutzt werden, um den gemeinsamen Weg der Patientin und ihrer Abbilder durch die verschiedenen Behandlungsschritte nachzuvollziehen. Daraus wird abzulesen sein, wie Blick und Handlung konstituiert, angeordnet und schließlich auch wie dadurch zwischen den einzelnen Akteuren hierarchische Strukturen etabliert werden. So wird die Behandlung nur mittelbar durchgeführt, wenn die Patientin sich einem Maschinenpark gegenüber sieht, in dem jegliche Handlungen so weit abstrahiert und verschleiert werden, dass sie die ritualisierte Form des schamanistischen Habitus annehmen.

Beschreibung und Epidemiologie

Das Vestibularisschwannom (VS, häufig auch inkorrekt als Akustikusneurinom bezeichnet) ist ein gutartiger Tumor der Nervenscheiden des Nervus vestibulocochlearis, jenem Hirnnerven, der die elektrischen Signale des Innenohrs für den Hör- und den Lagesinn an die entsprechenden Hirnzentren leitet. Es geht vom inneren Gehörgang, einem engen Kanal des Felsenbeins, aus und wächst oftmals in das Innere des Schädels hinein, wo es sich im sogenannten Kleinhirnbrückenwinkel, also jenem Raum zwischen dem Kleinhirn und dem Hirnstamm, ausbreitet. Es gehört mit einer Volumenverdopplungsrate von zwei Jahren zu den verhältnismäßig langsam wachsenden Tumoren, wobei auch stagnierende und regressive Verläufe bekannt sind.Stangerup und Caye-Thomasen 2012 Es zeigt weder eine Entartungstendenz noch streut es lokal oder im Körper. VS machen etwa zehn Prozent aller Hirntumore ausschließlich Metastasen ausStrasilla und Sychra 2017, wobei in der westlichen Hemisphäre jährlich etwa 15 bis 25 Fälle je eine Million Einwohner auftreten.Kleijwegt, Visser, Godefroy und van der May 2016 Die Erkrankung betrifft die Geschlechter gleichermaßen und wird meist erstmalig in der sechsten Lebensdekade festgestelltSt. Martin und Hirsch 2008.

Die Diagnostik

Das VS wird üblicherweise mit einseitigem Verlust des Hörvermögens, gleichseitigem Tinnitus und Kopfschmerzen auffällig. Allerdings nehmen manche Patienten die funktionellen Einschränkungen nicht wahr und bleiben weitgehend beschwerdefrei, bis der Tumor so weit an Größe gewinnen kann, dass eine Reihe weiterer Symptome hinzutreten, welche von einer Einengung des Kleinhirns, des Hirnstamms oder der Hirnnerven herrühren. In seltenen Fällen kann das VS auch beidseitig auftreten, was jedoch immer ein dringender Hinweis auf das Vorliegen einer angeborenen Störung, der Neurofibromatose Typ 2, ist.

Daher werden Patienten mit VS in der Regel zunächst bei einer Hals-Nasen-Ohren-Ärztin vorstellig, die nach eingehender Befragung und körperlicher Untersuchung oftmals nur das Vorliegen einer einseitigen Schädigung des Hör- und Gleichgewichtsnerven feststellen kann. Insofern zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf eine Beteiligung weiterer Hirnstrukturen vorliegen, welche in jedem Falle die Heranziehung bildgebender Diagnostik erforderlich machen, wird zunächst der Versuch erfolgen, die Hörstörung weiter einzugrenzen, und eine Messung der frühen akustisch evozierten Potenziale (FAEP) vorgenommen. Bei diesem als Hirnstammaudiometrie bezeichneten Verfahren werden der Patientin akustische Reize dargeboten, die elektrische Aktivität der im Hörsystem zusammengefassten nervösen Strukturen mithilfe dem Schädel aufgelegter Elektroden gemessen und grafisch auf Papier oder am Bildschirm aufgezeichnet. Aus der Gestalt und zeitlichen Anordnung der undulierenden Kurven können schließlich Hinweise auf die Lokalisation der Störung gezogen werden. Damit ist es auch möglich, die Verdachtsdiagnose des VS zu stellen, jedoch nur, insofern die Erkrankung bereits zu funktionellen Verlusten führt. Die Hirnstammaudiometrie stellte einst das diagnostische Mittel der Wahl dar, jedoch musste sie diesen Rang an die bildgebende Diagnostik abtreten, seitdem diese allgemein verfügbar wurde und sich als wesentlich zuverlässiger erwies.Hentschel, Scholte, Steens, Kunst und Rovers 2017

Dazu wird gewöhnlich die MRT bemüht, welche im Gegensatz zur CT Weichteile wie das Gehirn präziser darstellen kann. Hierzu legt sich die Patientin auf eine mobile Trage, welche in die Öffnung eines röhrenförmigen Geräts gefahren wird, woraufhin die Messung beginnt. Innerhalb etwa einer halben Stunde, während der die Patientin möglichst regungslos ausharrt, werden der Kopf und seine Strukturen schichtweise erfasst und eine Vielzahl Schnittbilder angefertigt. Dabei werden Aufnahmen verschiedener Modi, sogenannte Wichtungen, erstellt, welche das Gewebe und seine Qualitäten in unterschiedlichem Maße abbilden. Schließlich werden manche dieser Wichtungen mit der intravenösen Gabe eines Kontrastmittels kombiniert, welches sich wiederum in bestimmten Hirnstrukturen anreichert und so auch gut durchblutete Tumoren wie das VS besser zur Darstellung bringen. Das VS fällt dabei insbesondere in den T1- und T2-Wichtungen nicht nur wegen seiner typischen Lokalisation im Kleinhirnbrückenwinkel und seinem Ursprung aus dem inneren Gehörgang, sondern auch aufgrund der im Vergleich zum umgebenden Gewebe schwächeren (in der T2- Wichtung stärkeren) Signalintensität auf. Nach Kontrastmittelgabe reichert es sich homogen im Tumorgewebe an, sodass dieses im Bild umso heller erscheint. Größere Tumoren können zystische Anteile aufweisen, welche dann in einem heterogenen Erscheinungsbild resultieren.Strasilla und Sychra 2017 Das Vorliegen dieser typischen Befunde reicht meist aus, um die Diagnose des VS sichern zu können. Es macht 60 bis 90 Prozent der Kleinhirnbrückenwinkeltumoren ausSt. Martin und Hirsch 2008,Dähnert 2018 und konkurriert hier vor allem mit Meningeomen, aber auch mit Epidermoidzysten, Metastasen und Ependymomen, welche jeweils ein anderes Signalverhalten in der MRT zeigen und nicht vom inneren Gehörgang ausgehen.Strasilla und Sychra 2017

Die kontrastmittelunterstützte MRT kann im Gegensatz zur Hirnstammaudiometrie das Vorliegen eines VS feststellen, selbst wenn dieses noch keine funktionellen Einschränkungen hervorruft. Ihr kommt damit der Wert eines Goldstandards zu, sodass im Regelfall damit die Diagnostik des VS abgeschlossen ist. Insbesondere bleibt eine feingewebliche Untersuchung, welche eine Probenentnahme voraussetzt, heutzutage aus, da die MRT für die Charakterisierung des VS und seine Abgrenzung von anderen Raumforderungen ausreicht. Daher steht das VS exemplarisch für eine bildgeführte BlickdiagnoseVgl. Roethe und Planitzer 2017, welche im Wesentlichen ohne weitere Diagnostik auskommt. Allenfalls zur vergleichenden Beurteilung des Behandlungserfolgs können sich noch quantitative Messungen der Hör- und der Gleichgewichtsfunktion anschließen; für eine Sicherung der Diagnose des VS sind sie allerdings nicht notwendig.

Die Therapie

Zur Behandlung des VS stehen mehrere Therapiemethoden zur Verfügung.Rosahl, Bohr, Lell, Hamm und Iro 2017,Linkov, Valappil, McAfee, Goughnour, Hildrew, et al. 2017 In einigen Fällen kann zunächst aufgrund der gutartigen Natur des VS und des meist langsamen Wachstums unter regelmäßiger Bildkontrolle abgewartet werden. Diese Strategie ist vor allem unkomplizierten Fällen mit geringer Tumorgröße sowie älteren Patienten ohne bedrohliche Symptomatik vorbehalten. Zur definitiven Behandlung erfolgt bei großen Tumoren die minimalinvasive operative Tumorentfernung nach Schädeleröffnung hinter der Ohrmuschel oder am Hinterhaupt, welche zumeist von Hirnchirurgen, gelegentlich auch von Ärzten der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde durchgeführt wird. Für Patienten, die auf der betroffenen Seite bereits einen vollständigen Verlust des Hörvermögens und des Gleichgewichtssinnes erlitten haben, steht ferner der operative Zugang durch das Innenohr zur Verfügung. Die Entscheidung für eine operative Strategie wird abhängig von der Symptomkonstellation und dem je nach Methode variierenden Nebenwirkungsprofil getroffen. Zur Behandlung kleiner Tumoren, die noch nicht benachbarte Hirnstrukturen verdrängen, wird zudem die Strahlentherapie in Betracht gezogen, welche im Vergleich zur Mikrochirurgie allgemein seltener schwerwiegende Nebenwirkungen verursacht, jedoch etwas häufiger Folgebehandlungen erforderlich macht. Innerhalb der Strahlentherapie existieren verschiedene Methoden, denen gemeinsam ist, dass sie eine operative Eröffnung des Behandlungsgebietes vermeiden, stattdessen hochenergetische Teilchenstrahlen verwenden, welche den Patientenkörper durchdringen und auf den Tumor fokussiert werden können. Hier ist nicht zuletzt die sogenannte Radiochirurgie von besonderer Bedeutung, ein Verfahren, dessen Bezeichnung bereits den Anspruch zum Ausdruck bringt, die Präzision des Skalpells erreichen zu können. Die hierfür verwendeten Geräte können gegenüber konventionellen Methoden dank einer stereotaktischen Steuerung (das heißt auf Grundlage eines räumlichen Referenzsystems) genauere Eingriffe durchführen und können daher bei Schonung des umgebenden gesunden Gewebes eine erhöhter Wirkung im Referenzgebiet erzielen. Dabei setzt sich in jüngster Zeit zunehmend der Einsatz von bildgeführten Bestrahlungsrobotern wie etwa dem CyberKnife des US-amerikanischen Herstellers Accuray durch, welche eine Präzision im Submillimeterbereich erzielen könnenYu, Main, Taylor, Kuduvalli, Apuzzo, et al. 2004 und daher für Anwendungen im Gehirn prädestiniert sind (Abb. 2).

Abb. 2: Der Bestrahlungsroboter CyberKnife der Firma Accuray

Solche Bestrahlungsroboter erlauben zwar eine Teilautomatisierung, benötigen jedoch weiterhin eine weitreichende Anleitung, da sie weder den Tumor noch besonders empfindliche Strukturen erkennen, noch selbstständig eine nach physikalischen Gesichtspunkten ideale Strahlengeometrie finden können. Daher erstellen zuvor Strahlenmediziner und Medizinphysiker einen Behandlungsplan, auf dessen Grundlage der Roboter anschließend die Bestrahlung vornimmt. Zunächst legt die Radioonkologin fest, welche anatomischen Strukturen Teil des Bestrahlungsgebiets und welche besonders empfindlich gegenüber Strahlenschäden sind und daher einer besonderen Schonung bedürfen. Dies geschieht anhand des bereits vorhandenen diagnostischen Bildmaterials oder ggf. eigens angefertigten, feiner aufgelösten Aufnahmen. Dazu werden die Bilder in minutiöser Arbeit und auf Ebene der einzelnen Voxel (das heißt der Gitterpunkte im Volumenraster der Schnittbildgebung) untersucht, woraufhin schließlich die relevanten Strukturen mit einem virtuellen Instrumentarium ähnlich dessen einer Grafikbearbeitungssoftware als dreidimensionale Objekte Bildschicht für Bildschicht konturiert werden. Diese ästhetische Praxis fußt auf vielen Entscheidungen, die weniger auf diskrete, eindeutige Kriterien als auf eine allgemeine bildästhetische Erfahrung im Umgang mit radiologischem Bildmaterial zurückgreift. Die Wissenschaftshistoriker Lorraine Daston und Peter Galison haben die Episteme dieser interpretativen Bildpraxis als trained judgement bezeichnetDaston und Galison 2007, welche nach dem Prinzip einer Mustererkennung das Besondere vom Allgemeinen zu trennen vermag und im spezifischen Kontext zu verorten strebt. Sie macht die implizite Logik des Expertentums für ein Votum nutzbar, das der mannigfaltigen Variabilität des Untersuchungsgegenstands mit einer ebenso fein abgestuften Fuzzylogik bestehend aus lediglich tendenziellen Begrifflichkeiten gerecht werden kann. In der Bestrahlungsplanung heißt das aber auch, dass die Einschätzungen zwischen mehreren Untersuchern durchaus stark divergieren können und die Beurteilung anhand des vorliegenden Bildmaterials nicht beliebig genau bestimmbar ist, obgleich auf der histopathologischen Ebene eine weitaus präzisere Entscheidung darüber, wo der Tumor und das gesunde Gewebe aufeinandertreffen, möglich wäre. Trotz dieser relativen Ungenauigkeit ist das trained judgement geeignet, für die Praxis ausreichend zuverlässige Aussagen zu treffen.

Das Ergebnis dieses Planungsschritts besteht schließlich in einer je nach anatomischer Situation mehr oder weniger umfangreichen Sammlung von Bildsegmenten, welche den wesentlichen anatomischen Strukturen des Patientenkörpers entsprechen. Die derart aufbereiteten und annotierten Bilder werden anschließend der Medizinphysikerin überlassen, die mit der Aufgabe betraut wird, einen Bestrahlungsplan zu erstellen, welcher die von der Ärztin verordnete therapeutische Strahlendosis im bezeichneten Behandlungsgebiet gewährleistet und die zu schonenden Strukturen achtet. Zu diesem Zweck wird die gesamte Behandlung auf mehrere Strahlenstöße verteilt, deren jeweiligen Intensitäten und Einstrahlrichtungen so moduliert werden, dass ihr Gesamteffekt dem gesetzten Ziel möglichst nahe kommt. Dazu nutzt die Medizinphysikerin mathematische Modellierungsverfahren, welche eine Bestrahlung auf Grundlage aller beeinflussbaren Parameter in unzähligen Iterationen simulieren und fortwährend optimieren. Sie kann nach Kenntnis des strahlenphysikalischen Verhaltens einzelner Gewebe, etwa der Strahlendurchlässigkeit und -streuung, jederzeit eingreifen und den rechenintensiven Prozess anpassen. Sobald nach diesen langwierigen Berechnungen ein geeigneter Behandlungsplan gefunden wurde, wird der Roboter programmiert, die oftmals aus mehr als hundert einzelnen Bestrahlungen bestehende Sitzung an der Patientin auszuführen.

Die Bestrahlung wird an einem späteren Termin vorgenommen, an dem die Patientin in die Klinik zurückkehrt und in einen hermetisch gegen Strahlung abgeschirmten Raum geführt wird. Hier befinden sich der Bestrahlungsroboter, im Folgenden am Beispiel des CyberKnife erläutert, sowie eine bewegliche Liege, die sogenannte RoboCouch, welche ebenfalls mithilfe eines robotischen Systems ausgestattet exakt im Raum positioniert werden kann. Die Patientin wird gebeten, auf ihr Platz zu nehmen und daraufhin von einer medizinisch-technischen Radiologieassistentin (MTRA) zunächst mit einem Gurt festgeschnallt, welcher ein versehentliches Herunterfallen verhindern soll. Im Falle einer Kopfbestrahlung wird ihr ferner eine geschlitzte Bestrahlungsmaske angelegt (Abb. 3), welche zuvor maßgefertigt wurde, um die Bewegungen des Kopfes und daraus resultierende Abweichungen vom Bestrahlungsplan weitgehend einzuschränken.Vgl. die Disziplinierung des Körpers zum Zwecke der medizinischen Bildgebung bei Burri 2003 Im Einzelfall kann zudem ein Beruhigungsmittel verabreicht werden. Sobald die MTRA den Raum verlässt und die strahlendichte Tür ins Schloss fällt, kann die radiochirurgische Behandlung beginnen. Von ihrer Steuerkonsole aus kann sie das Behandlungsprogramm einleiten und im weiteren Verlauf überwachen, eingreifen und ggf. unterbrechen. Der Roboter, welcher an mehreren Achsen und Gelenken beweglich ist und jede erdenkliche Position in seinem Aktionsradius einnehmen kann, vollzieht nun nacheinander die vorbestimmten Behandlungsschritte, stellt dazu eigenständig die erforderlichen Einstrahlwinkel ein und appliziert anschließend die vorgesehenen Teildosen. Dabei wird die Lage des Patientenkörpers im Raum regelmäßig gemessen und bei wesentlichen Abweichungen durch entsprechende Einstellbewegung des Roboters oder der Liege ausgeglichen. Eine solche Sitzung kann je nach Umfang des Behandlungsplans eine Stunde oder länger dauern. Nach ihrem Abschluss sind am selben Tag keine weiteren Maßnahmen notwendig, sodass die Patientin sogleich nach Hause entlassen werden kann. Etwaig auftretende Akutnebenwirkungen wie Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit oder Müdigkeit sind zwar nicht selten, aber auch nicht die Regel und bedürfen meist keiner gesonderten medikamentösen Behandlung.

Abb. 3: Eine Bestrahlungsmaske der Firma CIVCO, die an die Anatomie einer Patientin angepasst wurde

Die Nachsorge

Nach Abschluss der Therapie steht noch die Sicherung des Behandlungserfolges aus. Die Wirkung einer Strahlenbehandlung entfaltet sich nur langsam und kann mittelfristig kaum beurteilt werden. Innerhalb der ersten zwei Jahre nach einer radiochirurgischen Behandlung eines VS kommt es häufig zu einem vorübergehenden Wachstum oder einem wechselhaften GrößenverhaltenHayhurst und Zadeh 2012, was jedoch häufig auf eine Tumorschwellung als Spätreaktion zurückzuführen ist.Meijer, Weijmans, Knol, Slotman, Barkhof, et al. 2008 Nach 20 bis 55 Monaten ist von einem Rückgang einer etwaigen Schwellung auszugehen, sodass innerhalb dieses Zeitraums ein wahres Wachstum erkannt werden kann. Daher kehrt die Patientin nach frühestens zwei Jahren und von da an etwa jährlich in die Klinik zurück und unterzieht sich weiteren MRT-Untersuchungen, die dann im direkten Bildvergleich mit den eingangs angefertigten Aufnahmen hinsichtlich einer Größenveränderung betrachtet werden. Wenn bis zum vierten Jahr keine Progression festgestellt werden kann, gilt die Behandlung als abgeschlossen; andernfalls wird eine zumeist operative Anschlussbehandlung angestrebt.

Das technische, instrumentelle Bild

Eine derartige Behandlungsstrategie räumt dem diagnostischen Bild, wie dargelegt, eine zentrale Rolle ein. Weiterhin spitzt sie die ohnehin bereits maßgeblich von bildgebenden Verfahren geprägte zeitgenössische Medizin zu, indem sie sich diagnostischen Methoden anderer medialer und epistemischer Qualitäten vollständig entledigt. Weder grafische Aufzeichnungsmodalitäten wie etwa die Hirnstammaudiometrie noch die mikroskopischen Untersuchung der Pathologie, welche einst elementare Instrumente der Diagnostik des VS darstellten, werden heute noch in der Behandlung dieses Tumors gebraucht. Ihnen kommt im Einzelfall lediglich eine untergeordnete Rolle zu. Stattdessen werden Bilder angefertigt, die, wie bereits angedeutet wurde, Körpervisualisierung und Körpersurrogat zugleich sind, die gesehen und behandelt werden können. Diese vornehmlich der MRT entstammenden Bildwelten erfordern jedoch insbesondere hinsichtlich ihres epistemischen Status eine besondere Betrachtung.

Denn mit ihrer Hilfe bleibt der Tumor für das bloße Auge unsichtbar, während das Bild ausreicht, um alle Anzeichen und Belege, welche für die Diagnose des VS notwendig sind, festzustellen und darüber hinaus die wesentlichen Eigenschaften des Tumors wie etwa die Lage, die Größe und das Wachstum zu erfassen. Die visuelle Grundlage der MRT ist allerdings eben nicht die der Optik, sondern jene einer zur Abbildbarkeit befähigten Teilchenphysik. Die Maschine misst die Eigendrehimpulse subatomarer Teilchen nach externer Stimulation durch ein experimentell erzeugtes Magnetfeld und verarbeitet die auf diese Weise gewonnen Daten mithilfe komplizierter Berechnungen auf Grundlage mathematischer und physikalischer Modelle, um sie in Form eines Graustufenbildes sichtbar zu machen. Die MRT gelangt zu ihren Erkenntnissen aber erst, nachdem sie ihre Messergebnisse einer Reihe an Transformationen zuführt, welche kettenartig ineinandergreifen und Schritt für Schritt Daten gewinnen, modulieren und verwerfen, um aus ihnen Informationen herauszuarbeiten, denen schließlich eine konkrete, diagnostische Bedeutung zukommt. Bruno Latour bezeichnet das monadische Element dieses algorithmischen Kalküls treffend als eine Spur und unterstreicht damit die schrittweise Herausschälung der gesuchten Information auf dem Weg von einer Teilberechnung zur nächsten, so wie eine Bildhauerin die Skulptur freilegt, indem sie sie nach und nach dem rohen Stein abgewinnt.Latour 2013 Diese Spuren überliefern jedoch nicht nur inhaltliche Merkmale, ihnen sind auch alle vorangegangenen Transformationen eingeschrieben, welche sich schließlich gemeinsam mit den Erkenntnissen über den Patientenkörper zu einem Bild verdichten und von diesem nicht zu trennen sind. Daher ist die MRT von den optischen Eindrücken, die das bloße Auge durch chirurgische Freilegung des Tumors und in geringerem Maße auch durch den Blick durch das Mikroskop gewinnen könnte, insofern verschieden, als dass sie einerseits eine Schnittstelle schafft, um das Unsichtbare sichtbar zu machen, und andererseits ein Versprechen über ihren epistemischen Gehalt eingeht, welches auf der konventionsgerechten Anordnung der Spuren und Transformationen beruht.

Dieses Versprechen wird damit begründet, dass ihre Versuchsanordnung die zugrundeliegenden physikalischen und mathematischen Prinzipien rigoros und vollständig erfülle. Allerdings muss die MRT wie alle diagnostischen Verfahren das Versprechen ihrer Methode mit dem Versprechen ihrer konkreten Anwendbarkeit ergänzen, um praktischen Nutzen haben zu können. So muss für jedes Anwendungsgebiet und jede Erkrankung erneut belegt werden, dass das Verfahren sinnvolle Aussagen hinsichtlich der Unterscheidung von anderen Erkrankungen trifft (gemessen als sogenannte Spezifität) und verlässlich falsch-negative und falsch-positive Ergebnisse ausschließt (die sogenannte Sensitivität). Wenn dies gelingt, ist die MRT diagnostisch befähigt. Für Tumore des Kleinhirnbrückenwinkels wird mit der MRT eine Sensitivität von 90 Prozent und eine Spezifität von 99,5 Prozent erzieltHentschel, Kunst, Robers und Steens 2018, wobei darunter das VS Werte von 100 Prozent bzw. 92,3 Prozent erreicht.Singh, Singh, Thukral, Rao, Singh, et al. 2015 Dank dieser ungewöhnlich hohen Werte ist das Verfahren für die Diagnose des VS alleinig ausreichend.

Der virtuelle Körper

Derart gewonnene Bilder sind jedoch nicht nur in dem Sinne diagnostisch, dass sie einer Patientin zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Befund zuordnenWieland 1975, sie können auch als Surrogat für den sichtbaren Körper genutzt werden, insofern die weitere Behandlung dies erfordert. In der robotischen Radiochirurgie wird auf diese Weise ein virtuelles Körpermodell konstruiert, das für alle anschließenden Prozesse als Referenz auf den Patientenkörper nutzbar gemacht wird. Ein Bestrahlungsroboter wie das CyberKnife navigiert mithilfe dieses Modells, um die therapeutische Strahlung in einem solchen Winkel auf das Behandlungsgebiet zu applizieren, dass einerseits dort eine Strahlendosis gewünschter Höhe und Verteilung erreicht und andererseits umgebendes, gesundes Gewebe geschont werden kann. Zu diesem Zweck fertigt das System während der Strahlenbehandlung in regelmäßigen Abständen Röntgenaufnahmen der Patientin an, um die räumliche Lage ihres Körpers und des Behandlungsgebiets messen und in Relation zum virtuellen Körpermodell setzen zu können. Auf diese Weise werden etwaige Lageveränderungen im Millimeterbereich erkannt und durch entsprechende Änderungen in der Einstrahlrichtung kompensiert. Jedoch können die hierfür verwendeten Röntgenbilder nicht direkt mit den bereits vorhandenen MRT-Messungen verglichen werden, es bedarf stattdessen einer ebenfalls präinterventionell gewonnenen CT-Aufnahme.

Die CT stellt ebenso wie die konventionelle Röntgentechnik eine Strahlenabsorptions- und Gewebedichtemessung dar. Letztere ist jedoch als Projektionsaufnahme ungeeignet, eine räumliche Verteilung zu erfassen. Die CT hingegen kann aufgrund ihrer prinzipiellen physikalischen Übereinstimmung mit dem konventionellen Röntgenverfahren einerseits genutzt werden, um solche Projektionen auf Grundlage ihres Datensatzes zu simulieren, und andererseits mit anderen mehrdimensionalen Verfahren wie der MRT korreliert werden. Dies wird in der Praxis in Form einer teils manuellen, teils automatischen Registrierung von MRT- und CT-Daten gewährleistet, deren Resultat schließlich eine weitgehend deckungsgleiche Zusammenführung im virtuellen Raum ist, die es ermöglicht, ein gemeinsames Koordinatensystem zu nutzen und somit nahtlos von einem Datensatz in den anderen zu wechseln. Dadurch können die während der Behandlung gewonnenen Röntgenaufnahmen im virtuellen Raum verortet und in Bezug auf den virtuellen Körper interpretiert werden. Diese Argumentation fußt demnach auf der maßstabs- und gegenstandsgetreuen Abbildungsrelation zwischen all ihren Teilen, einschließlich ihrer exakten räumlichen und zeitlichen Kongruenz, das heißt der korrekten Registrierung einerseits und der Annahme, dass zwischen ihnen keine wesentlichen Veränderungen der Anatomie, der Tumorgröße und -lage stattfanden, andererseits. Schließlich gelingt es durch diese Argumentation, die Austauschbarkeit des virtuellen und des physischen Körpers als die Determinante einer hybriden Entität zu interpretieren. Die Referenz des virtuellen zu dem physischen Anteil dieser Doppelgestalt kann nun als das Verhältnis einer nahezu perfekten Kartierung genutzt werden, welches den Blick auf das Bild mit dem Blick auf den Körper und die Handlung am Bild mit der Handlung am Körper vereint. Diese Verflechtung von Bild und Welt zum Zweck einer bildgeführten Handlung ist das Wesen der image guidance.Friedrich, Queisner, Roethe 2016

Hierarchie von Blick und Handlung

Wie skizziert wurde, durchlaufen diese operativen Bilder alle Teilschritte der radiochirurgischen Behandlung des VS. Sie werden mithilfe komplexer Algorithmen aus Messdaten aufwendig herausgearbeitet, von Radiologen interpretiert, ehe Strahlenmediziner Behandlungsgebiete einzeichnen, Medizinphysiker an ihnen einen idealen Therapieplan berechnen, der Roboter mit ihnen navigiert und schließlich wieder die Strahlenmediziner sie mit Folgeaufnahmen hinsichtlich des Behandlungsergebnisses vergleichen. Der Zweck dieser Bilder geht über eine erweiterte Sichtbarkeit hinaus, denn sie sind Bewertungs-, Planungs-, Behandlungs- und Beurteilungsgrundlage eines vielschichtigen, von vielen Akteuren getragenen Prozesses, der auf die Leitstruktur des Bildes abgestimmt ist. Das operative Bild wird nicht nur in allen Teilschritten gebraucht, es nimmt sie auch bereits vorweg. Ihm werden bereits bei seiner Erstellung alle notwendigen Informationen und Handlungsoptionen eingeschrieben, und so ist es ein mehr oder weniger deterministisches Abbild des Behandlungsprogramms, das im Anschluss nur noch zugänglich und nutzbar gemacht werden muss.

Jedoch erfordern sowohl die Bildgewinnung als auch die -erschließung hochspezialisierte technische Mittel sowie detaillierte Fachkenntnisse der beteiligten Akteure, welche in der Klinik organisatorisch und baulich zusammengefasst und von den restlichen Abteilungen abgeschieden werden. Schon allein wegen des erheblichen Gewichts der Großmaschinen, der magnetischen Isolierung oder des Strahlenschutzes sind die radiologischen und strahlenmedizinischen Abteilungen zumeist in einem abgesonderten Bereich der Klinik untergebracht, wo ferner die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden, um das Personal vor der schädlichen Einwirkung der starken Magnetfelder bzw. der Strahlen zu schützen. Dies erzwingt zudem die Abgrenzung von den Untersuchungs- und Behandlungsräumen, die den Patienten und den Maschinen vorbehalten sind, wenn sie für die Dauer der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen hermetisch versiegelt werden müssen. Ihnen angeschlossen sind durch isolierte Wände abgeschirmte Beobachtungsräume, in denen die MTRA und ggf. auch die Ärzte mithilfe von Kameras und Steuerkonsolen die Patientin und die Maschinen überwachen können. Darüber hinaus finden die radiologische Bildinterpretation sowie die strahlentherapeutische Behandlungsplanung an spezialisierten Rechnern in angegliederten Bereichen statt, zu denen die Patientin keinen Zugang erhält. Somit ist die Erzeugung, Aufrechterhaltung und Nutzbarmachung von Sichtbarkeit in Form operativer Bilder an eine räumliche Trennung der Sehenden und der Handelnden einerseits und des Gesehenen-und-Behandelten andererseits gebunden.

Diese räumliche Anordnung begünstigt schließlich aber auch eine einseitige Sehrichtung, welche die Patientin zwar in den Fokus jeglicher Betrachtungen stellt, ihr selbst aber den Blick hinter die Maschinen, in die Arbeitsräume und schließlich auch auf das gewonnene Bildmaterial verwehrt. Dieses Ungleichgewicht ist jedoch nicht gänzlich technischen oder Sicherheitserfordernissen geschuldet. Es wäre durchaus denkbar, dass der Patientin diese Einblicke außerhalb der Untersuchungs- und Therapiesitzungen gewährt werden. Zwar werden bisweilen diagnostische Bilder mehr oder minder laienverständlich erklärt oder zu dem Zweck übergeben, dass die Patientin sie in Zukunft ärztlichen Kollegen überreichen kann. Dies geschieht aber stets nur dann, wenn diese Bilder bereits ihren diagnostischen oder instrumentellen Nutzen erfüllt haben und nicht etwa, wenn sie gerade in Gebrauch sind. Daher kann die Patientin, selbst wenn sie Zugang zu diesen Bildern erhält, keinen Einfluss darauf nehmen, welche Handlungen an ihnen geplant und vorgenommen werden.

Andererseits bezweckt die weitgehende Abstrahierung der mit der Bestrahlung verbundenen Handlungen zu einer Menge von Raumkoordinaten und Dosisvorgaben ihre Delegation an die ausführende Maschine. Sie tritt mittelbar an die Stelle der Ärzte und MTRA, welche sich im potenziell schädlichen Strahleneinflussbereich nicht aufhalten können, und ist für den Zeitraum der Bestrahlung der einzige Akteur, dem sich die Patientin gegenübersieht. Zwar führt der Roboter den Behandlungsplan weitgehend selbstständig, aber nicht insofern automatisiert durch, dass er eigenständig wesentliche Entscheidungen treffen könnte. Vielmehr wird er für jede einzelne Behandlung mit dem verfügbaren Bildmaterial und den berechneten Einzeldosen programmiert. Dennoch bleiben diese technischen Details der Patientin unerkennbar, insofern sie nicht dezidiert darüber aufgeklärt wurde, was im klinischen Alltag in der Regel schon allein deshalb unterlassen wird, weil dem einerseits der allgemeine Zeitdruck entgegensteht, andererseits weil im Gespräch vorrangig Fragen nach der Verträglichkeit und der erwarteten Wirkung des Verfahrens gestellt werden. So sieht sich also die Patientin einem Roboter gegenüber, der bereits dadurch als autonomer Akteur hervortritt, dass er in teils großzügigen Zirkelbewegungen um den Kopf der Patientin herumschwirrt.

So nimmt also die Patientin unter den Maschinen Platz, lässt sich festschnallen, eine hautenge Bestrahlungsmaske anlegen und harrt regungslos aus. So verbringt sie geduldig eine Stunde oder länger in engen Röhren und auf RoboCouches, lauscht den mechanischen Geräuschen, die von der unsichtbaren Arbeit zeugen, ehe eine MTRA das Ende der Behandlung ankündigt und sie nach Hause entlässt. Von der Erstdiagnose bis zur letzten Nachsorgeuntersuchung werden fünf bis zehn MRT- und CT-Aufnahmen und ein bis zwei Bestrahlungen vorgenommen, bis die Ärztin im besten Falle nach zwei bis drei Jahren den Behandlungserfolg feststellen kann. Danach blickt die Patientin im Regelfall auf eine schmerzfreie und komplikationslose Therapie zurück und weder eine Narbe noch sonst ein körperliches Zeichen zeugen davon, was im Verborgenen vor sich ging. Allein das Ausbleiben neuer Symptome gibt einen zarten Hinweis auf die Behandlung. Doch sonst sind es nur eine Handvoll Bilder, welche die Patientin nicht lesen und oftmals nicht einmal einsehen kann, die den Beweis erbringen, dass eine medizinische Intervention stattgefunden hat. Alle Blicke sind auf den Körper der Patientin gerichtet, aber sie selbst bleibt blind, und alle Handlungen werden an ihr vorgenommen, doch sie selbst bleibt tatenlos.

Diese spezifische Hierarchie der Sichtbarkeit und Handlungsfähigkeit bedingt allerdings ein grundlegendes Verhältnis zwischen den Akteuren und Aktanten, welches vielleicht am treffendsten als Maschinenschamanismus bezeichnet werden kann. So wie die Schamanin in Bezug auf Krankheit und Heilung alles sehen und tun kann, jedoch ihre Mittel der Erkenntnis und Wege der Einflussnahme verborgen bleiben, stellt sich auch in der radiochirurgischen Behandlung des VS ein ähnliches Verhältnis ein. In beiden Fällen ist die Behandlung ein Mysterium, in dem scheinbare Handlungen und scheinbare Blicke anstelle der wahren Handlungen und wahren Blicke treten und die Aufmerksamkeit der Patientin auf sich ziehen. Wenn von der MRT allein ihr Murmeln und vom Roboter allein sein Tanz wahrnehmbar sind, ihre magnetischen Felder und schneidenden Strahlen jedoch im Verborgenen bleiben, wenn virtuelle Körper oder eben Geister angerufen werden und medizinische Fachausdrücke oder unverständliche Zauberformeln die Heilung der Patientin beschwören, so wird doch der Patientin ein vielschichtiges und geschäftiges Maskenspiel dargeboten. Sie kann ihm zwar folgen, von ihrer Wirkung jedoch, die sich da bereits im Geheimen in ihr entfaltet, ahnt sie nichts. So folgt die Behandlung einem ebenso unergründbaren, aber ritualisiertem Verlauf, welcher unvorhergesehene Wendungen und Zuspitzungen, Unterbrechungen und Wiederholungen bereithält, um schließlich ein ebenso jähes Ende zu finden, weil jemand beschlossen hat, dass sie erfolgreich verlaufen ist.

In beiden Fällen ist es also gerade die Mittelbarkeit aller Prozesse, welche alle Handlungen abstrahiert und verschleiert sowie den Blick selbst unmerklich macht, sodass diese Prozesse nur einseitig erkennbar werden und für die Patienten unergründbar bleiben. Der Schamanin oder dem Roboter kommt eben diese Mittlerrolle zu, indem sie ein gesteigertes Bewusstsein erlangen und mit einer spirituellen oder einer virtuellen Welt interagieren, um letztlich das Transzendente in die physische Welt zu überführen.Hoppál 1987 Ihre Leistung besteht daher auch darin, diesen Prozess mit symbolischen Ersatzmitteln erfahrbar zu machen. So berichten Patienten immer wieder vor allem von der Geräuschkulisse der MRT, aber seltener von den Bildern, die währenddessen produziert wurden. Gleichermaßen wird immer wieder auf die mechanischen Bewegungen des Roboterarms eingegangen, nicht aber so oft auf die applizierten Strahlendosen. Zwar ist eine lautlose Untersuchung aus technischen und physikalischen Gründen ebenso wenig denkbar wie ein bewegungsloser Bestrahlungsroboter, doch sind es diese Erfahrungen, welche einerseits im Gedächtnis haften bleiben und andererseits der Behandlung als wesentliche Merkmale zugeordnet werden. Obwohl sie nicht dem Selbstzweck dienen, lässt gerade der Mangel an anderen Eindrücken diese Reize umso wichtiger erscheinen. Denn sie sind alles, was die vollständig bildgeführte Behandlung des Vestibularisschwannoms erfahrbar macht.

Stangerup und Caye-Thomasen 2012
Strasilla und Sychra 2017
Kleijwegt, Visser, Godefroy und van der May 2016
St. Martin und Hirsch 2008
Hentschel, Scholte, Steens, Kunst und Rovers 2017
Strasilla und Sychra 2017
St. Martin und Hirsch 2008
Dähnert 2018
Strasilla und Sychra 2017
Vgl. Roethe und Planitzer 2017
Rosahl, Bohr, Lell, Hamm und Iro 2017
Linkov, Valappil, McAfee, Goughnour, Hildrew, et al. 2017
Yu, Main, Taylor, Kuduvalli, Apuzzo, et al. 2004
Daston und Galison 2007
Vgl. die Disziplinierung des Körpers zum Zwecke der medizinischen Bildgebung bei Burri 2003
Hayhurst und Zadeh 2012
Meijer, Weijmans, Knol, Slotman, Barkhof, et al. 2008
Latour 2013
Hentschel, Kunst, Robers und Steens 2018
Singh, Singh, Thukral, Rao, Singh, et al. 2015
Wieland 1975
Friedrich, Queisner, Roethe 2016
Hoppál 1987

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